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Juni/Juli 2009

Vorwort:
Eine Tour in die Bretagne war so nicht geplant.
Geplant war eine Radtour an der spanischen Atlantikküste. Wir wollten mit dem Auto nach Kantabrien, uns dann mit den Fahrrädern in den Zug nach Galizien setzen und die Strecke zurückradeln. Von West nach Ost gegen den Strom der Pilger, denn jeder Fuß und Radweg Richtung Westen heißt in Nordspanien Jakobsweg und führt dich zwangsläufig an Santiago de Compostela.
Unsere Ankunft war ein Fiasko. Es regnete. Rund um Santander war, was an Land vor der Küste nur im entferntesten ein Meerblick versprach mit Apartmentanlagen zu betoniert und diesem Bauwahn waren gleich die ersten drei, auf unsere Karte eingezeichneten Campingplätze zum Opfer gefallen und so fuhren wir, mit dem Auto Stunden lang kreuz und quer bis wir in Cormilas endlich einen ansprechenden Campingplatz gefunden hatten. Diese Irrfahrt war auch Gelegenheit, den ersten Pilger auf der Küstenroute zu begegnen. In nasse Regenponchos gehüllt, liefen sie entlang der dicht befahrende Nationalstraße auf einem schmalen Randstreifen eine Jakobsmuschel im Gepäck. Kann es sein, das sich diese Grenzgänger auf ihrer Suche nach Spiritualität nicht durch eine schöne Landschaften ablenken lassen wollen? Dann sind sich hier Richtig.
Bei der Krisensitzung am Abend im trockenen Zelt wurden Gudrun und Ich uns schnell einig, das es uns für diesen Weg an Bußfertigkeit fehlt. Wir blieben einen Bedenktag.



Ausgangspunkt: Piriac sur Mer.
Die Bretagne empfängt uns wohlwollend wie den verlorenen Sohn. Die Sonne scheint. Es riecht nach Meer, wie es nur hier nach Meer riechen kann, das Original und der Himmel ist so verschwenderisch groß, das auch ein paar malerische Wolken platz finden, ohne gleich zu einer Regenfront zu verklumpen.
Ich stelle mir ein Ölgemälde vor: Eine Küstenlandschaft über der große bauschige Wolkenluftschiffe am Himmel schweben, und unter den weißgrauen Himmelsgebilden hängen Schnüre hinab, müden in den Händen von Kindern, Frauen, Männer, die sich alle im frischen Küstenwind dem Vergnügen hingegeben, Wolken, statt Drachen, steigen zu lassen.

"In der Hauptsaison fahren hier auch Karussells!" sagt Gudrun. Nur kann sich keiner so recht erinnern wann hier das letzte Mal Hauptsaison war, muss aber an einem Samstag gewesen sein. Im Juni wirkt die Bretagne so verlassen, dass du sie dir nicht ausgebucht vorstellen kannst. Ihre Saison ist kürzer als die Blüte ist als in der sibirischen Tundra. Von Juli bis August, aber dann muss es wohl gleich ganze Heerscharen von Campern in die Gegend zu ziehen. Rund um Priac sur Mer, mehr Dorf als Stadt, gibt es allein 8 Campingplätze und so setzt es sich an der Küste fort.



Guerande, der vergessene Name.
Unsere Tagestour zum Aufwärmen führt uns nach Guerande. Als ich durch die engen Gassen der Altstadt wandele, überwältigen mich die Erinnerungen. Erinnerungen aus einer Zeit als Urlaubsplanungen unter Freunden mit dem Satz: Lass uns Mal im Sommer nach Frankreich an die Atlantikküste fahren, hinreichend besprochen waren. Einer Zeit, als noch Enten und Käfer fabrikneu von Band liefen. Unerschwinglich für uns Fahranfänger, aber für weniger als tausend DM bekamst du einen Gebrauchten, im Volksmund "Rostlaube" mit einem Jahr TÜV, und wenn du Glück hattest, hielt der Motor auch noch so lang. Zu viert in so einem Vehikel bereisten wir im Sommer 1981 die französische Atlantikküste, und trafen in der Bretagne auf Guerande und es war im Film oder im Märchen, soviel hatte sich in dieser Stadt aus einer Zeit erhalten, als feste Stadtmauern, geschlossene Stadttore und Wächter auf Türmen, die ins Dunkel der Nacht spähen, noch für einen ruhigen Schlaf sorgten.
Ich war tief beeindruckt. Es war meine erste nachhaltige Erinnerung an die Bretagne, nur nicht nachhaltig genug, mich an einen Namen oder die genaue geografische Lage des Ortes zu erinnern. Der weiße Fleck ist nun kartografiert.
Die Kneipe, in der ich zum ersten mal beobachten durfte, wie der Wirt ein Glas Rotwein unter Ausnutzung der Oberflächenspannung über den Rand hinaus füllte, suche ich vergebens und noch einiges mehr, zusammengefasst wohl die Authentizität die es Anfang der Achtziger hier noch gegeben haben mag. Die trutzige Wehranlage rund um die Stadt hat die Geschichte nicht aufhalten können. Der mittelalterlich Flecken ist nur noch Kulisse für die Vermarktung aller Art gehobener Tourismusartikel. Wandel der Zeit. auch ich bin kein jugendlicher Vagabund mehr, sondern Tourist und als Tourist ist Guerande einen Abstecher wert.



Donnerstag 18.06.09 von Pirac sur Mer nach Billiers

Unser Fahrräder sind beladen. Unser Auto darf für die nächsten zwei Wochen unter hohen Kiefern parken. Wir starten die Tour der Improvisation. Auf die kleinen Bar Tabac Presse Läden ist Verlass, hier bekomme ich das nötige Kartenmaterial. Ich leiste mir für diesen Tag und für die nächsten Tage jeweils eine detailreichen 1:25000 Karten und zur Übersicht eine 1:100 000. Auf dieser Karte entdecke ich dann die erhoffte Bahnlinie. Mir schwebt vor die Küste bis nach Pays Bigouden abzuradeln und vielleicht die Lücke zur Tour 2006 zu schließen und zurück könnten wir den Zug nehmen.
Auf der 1:100 000 fällt uns Augenmerk auch auf die Belle Ile en Mer, die größte bretonische Inseln. Die Aussicht auf ein paar Tage Robinsonurlaub ist verlockend. Und da das Eiland gleich von mehreren Fährhäfen angefahren wird, liegt die Idee nah ein großes Stück Hin-oder Rückweg so zu überspringen? Also von La Turballe über Belle Ile nach Lorient und dann entlang der Küste zum Ausgangspunkt zurück oder auch Umgekehrt? Das Touristfähren keine Fahrräder mitnehmen erfahren wir gerade noch rechtzeitig.

Für heute fahren wir erst einmal an den Salzgärten der Halbinsel von Guerade vorbei. Marschland, wir sehen nur selten das offene Meer. Gleich auf den ersten Kilometern fällt mit der Tacho aus. Er ist nicht zu reparieren. So entfällt für den Rest der Reise die Pflicht sich an Tageskilometerleistungen zu messen. In Billiers schlagen wir unser Zelt auf, kostenlos, die Rezeption auf den Campingplatz ist weder Abends noch Morgens besetzt. In der Vorsaison lohnt sich die Mühe für das bischen Tageseinnahme wohl nicht.

Freitag 19.06.09 von Billiers nach Arzon

Wir stoßen in der Bretagne unerwartet auf ein gut ausgeschildertes Netz von ruhigen Radwegen, abseits befahrener Straßen. Die Franzosen entdecken das Rad. Als Sportgerät war es bei den Männer der Generation fünfzig Plus immer schon beliebt. Doch in diesem Jahr sehen wir auch weniger ambitionierte Zeitgenossen auf Drahtesseln. Fahrradfahren als Freizeitbeschäftigung für die ganze Familie. Wer lässt sich nicht gerne bequem von Hinweisschild zu Hinweisschild durch die Landschaft führen. Auch ich erliege der Versuchung und verliere start so, ein ums andere Mal, die Orientierung. Umwege, Schleichwege, Feldwege, meine 1:25000 erfasst nicht jeden Streckenverlauf und dann fehlt ein Schild oder der unbestechliche Kompass warnt, du fährst jetzt schon viel zu lagen Richtung Norden, obwohl dein Ziel im Süden liegt und dann bleibt dir nichts anderes übrig als solange ins Ungewisse zu fahren, bist du dich an einem Ortsschild oder einer unmissverständlichen Straßenkreuzung wieder auf der Karte entdeckst.

Es ist heiß und es ist Ebbe.Am Strand liegt modrigen Seetank die der in der Sommersonne dünstet. Auf unserm Zeltplatz am Plage de Kervet, riecht es streng nach Meer.

Samstag 20.06.09 Arzon - Plouharel.

In Port Navalo setzen wir mit einer kleinen Fähre nach Pointe de Kerpenhir über und ersparen uns den Golfe du Morbihan zum umfahren und in der Großstadt Vannes zu landen.
Unsere Fahrräder sind in dem kleinen Boot das ist der starken Strömung schaukelt, lose an die Reling gelehnt. Sitzen alle Gepäcktaschen fest? Uns wird angst und bange um die Ausrüstung.

Auch wenn unser Ziel nur der Weg ist, kostet es mich doch Nerven nicht voranzukommen. Erst warten wir zwei Stunden auf die Fähre und nun verheddere ich mich Richtung St-Philbert in einem Netz von Sackgassen.

Die Küste und das Hinterland sind in dieser Gegend elend zersiedelt, auf Wiesen und Feldern sprießen sich tausende kleiner weiße Häuser im Grünen .

Es ist Samstag und es ist ein Sommer, wie er sein sollte. Badewetter an den Stränden von La Trinite-sur-Mer und in Carnac-Plage herrscht Hochbetrieb. Auf den Promenaden werden schon die Tische eingedeckt und die Instrumente gestimmt für die großen Wochenendfeten.
Wir überlassen die Küste der Vergnügungssuchenden und fahren einen Campingplatz nur wenige Kilometer landeinwärts an, hier eifern eine ferne Dorfkirche, eine Krähe und das Rauschen im Espenlaub darum, wer am lautesten ist.

Punkt 21 Uhr werden die Verstärker an die Stromkreise angeschlossen.Gleich an mehren Stellen flammen im Umland die Geräuschpegel großer Feiern auf, beschallen den Abend, wie Leuchtfeuer in der Ferne die Nacht erhellen.. Es ist der 20 Juni. Ich habe Geburtstag und die Bretonen ziehen ihre Mitsommerfeiern vor.
Wer will es ihnen verdenken, mit einem freien Tag danach feiert es sich einfach besser. Sehnsüchtig lausche ich den Klängen. Geigen und Flöten locken mich in den Wald. Ein Folk-Konzert ist uns am nächsten und wäre mir heute auch am liebsten. Doch laut Karte scheint die Musik aus einem großen, unbewohnten Waldgebiet zu kommen. Der Schall ist trügerisch.Er ist kein guter Wegweiser und die Veranstaltung nicht so nah, es auf gerade wohl zu versuchen. Und wenn wir den Ort dann im Zickzack gefunden haben sollte, finden wir dann im Dunkel auch wieder zurück, ohne akustische Orientierung?. Ich bleibe unentschlossen und am Zelt.



Sonntag 21.06.09 Plouharel nach Belle Ile

In Plouharel wollen wir zum Bahnhof. Wir erhoffen uns einen Anschluss nach Quimper. Unterwegs halten wir in einem Supermarkt, sonntags kannst du das Notwendigste, wenn überhaupt nur vormittags kaufen. Unsere Fahrradtaschen sind nicht groß genug für eine Vorratshaltung und leicht Verderbliches hält in der Sommerhitze nur bis zum Frühstück. Wir verpassen den Zug nach Auray um eine Viertelstunde.
Der Nächste fährt in zwei Stunden und noch ist ungewiss, ob ein Fahrradtransport möglich ist. Im Hafen von Quiberon hätte wir gute Aussichten heute noch auf die Belle Ile auf die große Insel zu kommen. Wenn nicht jetzt, wann sonst?
Die Saison hat noch nicht begonnen und das Wochenende ist vorbei. Aber wenn wir jetzt noch ein paar Tage vertrödeln, mach es keinen Sinn mehr bis Quimper zu fahren. Ich müsste mich von dem Plan verabschieden, zu unserer letzten Tour aufzuschließen. Noch stehen wir unentschlossen am Bahnhof auf dem Bahnsteig.
Ich zöger! Ich zweifel! Da schließt sich die Schranke. Ein Zug fährt ein. Aber in welche Richtung?
Nach Auray!
Mit Verspätung und ich sehe Reisende mit Rädern aussteigen.
Jetzt müssten wir dem Schaffner ein Zeichen geben.
Ich weiß, wohin es Gudrun zieht.
Ich zögere.
Ich zweifel.
Der Zug fährt ab und wir fahren auf die Belle Ile.

Der Radweg nach Quiberon ist bis auf einen Engpass gut ausgebaut. Bis zur Abfahrt der Fähre bleibt uns noch Zeit für ein Picknick etwas Abseits finden wir eine Bank an der Steilküste, mit Panoramablick auf das lebhafte Hafenstädtchen. Der Himmel ist Blau. Die Luft ist mild und würzig. "Das ist ja hier ein bisschen wie im Urlaub." "Ja ein bisschen wie im Urlaub"



Montag 22.06.09 Belle Ile

Die Wiese auf der wir Zelten ist mit aromatischer Minze durchzogen. Uns hat es auf den östlichsten Teil der Insel dem Pointe de Kerdonis verschlagen. Unser Campingplatz hat Anschluss ans Meer. Im Reiseführer Frankreich, den wir im Auto gelassen haben, wird Belle Ile mit Sylt verglichen. Wir erleben die Insel als ruhig, beschaulich und verschlafen. Auf unserem Zeltplatz lebt eine Rentnergemeinde. Bretonen, die das Meer lieben, denen es aber an den Mitteln für eine gemauerte Unterkunft an der Küste fehlt. Sie haben sich hier mit Wohnwagen und Pavillons dauerhaft eingerichtet. Die Konstruktion, zwischen denen sie die Wäscheleinen spannen, sind erstaunlich solide. Ein Boot mit Außenborder, Angeln, Harpunen, eine Schnorchelausrüstung sind für jeden Haushalt obligatorisch. Heute lassen wir die Fahrräder stehen und machen uns zu Fuß auf den Weg.
Die Bilderbuchsteilküste wäre eine Zierde für jeden Urlaubskatalog: Klares türkisblaues Wasser, schroffe Felsen, denen Flechten an vielen Stellen einen orangen Anstrich geben und die Wiesen, die teils bis an den Rand des Abgrunds wachsen, sind Blüten durchwoben.

Nach der strengen Nudeldiät der letzten Tage wird es Zeit unser unglaublichstes Ausrüstungsteil zu aktivieren. Wir habe ein Grill dabei, ein Faltgrill aus dünnem Blech. Zusammengeklappt trägt diese mobile Feuerstelle nicht dicker auf als eine Illustrierte. Die Koteletts und Steaks, die wir am Abendessen verzehren bezeugen, dass er trotz seiner Leichtigkeit als Grill erst genommen werden sollte. Bei Anbruch der Nacht werfe ich noch eine Handvoll Grillkohle in die heiße Asche. Es wird kühl und feucht und wir rücken dicht an die Glut.



Dienstag 23.06.09 Belle Ile

Für heute haben wir uns die Inselumrundung mit dem Fahrrad vorgenommen. Da sind etwas mehr als 60 Kilometer. Die Route ist gut ausgeschildert und ich hätte keinen schöneren Weg auf der Karte finden können. Die Herausforderungen, das Salz auf der Strecke sind die kleinen Schluchten, die die Insel durchziehen. Vor den 15% bis 20% Gefälle Abfahrten wird dem Radler per Hinweise empfohlen abzusteigen. Bei den Abfahrten?
Ich habe gute Bremsen!
Falls du dich dann doch mit dem Rad ist Tiefe stürzt, empfehle ich dir, deinen Schwerpunkt zu Verlagern und den Hintern auf den Gepäckträger zu platzieren. Ansonsten sitz du auf der Kippe mir einem Hang zum Überschlag. Bergauf steigen die Meisten auch ohne eine Empfehlung ab.
Zum Abendessen gibt es Bier. So ist garantiert, dass wir in der Nacht noch einmal aus dem Zelt müssen. Ein lohnenswerter Weg. Ist das Dringendste erledigt, nehme ich mir Zeit in den Sternenhimmel zu schauen. Fernab der Lichtbleiche großer Städte, ist der Himmel sternklar, eine Klarheit die mich, zurück im warmen Schlafsack, noch eine Weile wach hält



Mittwoch 24.06.09 Belle Ile

Unser 4kg Grillkohle sind noch nicht aufgebraucht. Also bleiben wir noch einen Tag länger fahren mit dem Rad zur Küste und Wandern. Das Thermostat steht heute auf Hochsommer. Wir haben Badesachen dabei. Längs des Weges knackt und raschelt es in den Sträuchern. Die Sonne sprengt die Ginsterschoten auf und Eidechsen huschen so flink über die Felsen, als hätten sie nicht Sonne sondern Kerosin getankt. Wir steigen in eine kleine Bucht hinab, und baden im Meer. Handtücher haben wir keine, das Abtrocknen überlassen wir der Sonne. Kühlung für eine halbe Stunde Schlaf. Am nachmittag werden wir sportlich.
"Was, wenn der Supermarkt schon um 19:00 Uhr zu macht?"
Gudrun gibt den Startschuss. Es geht auf den kürzesten Weg zurück zu den Fahrrädern das sind anderthalb Stunden strammer Marsch. Auf der Straße radel ich in den höchsten drei Gängen. Gudrun folgt in meinem Windschatten. Die Aussichten uns zum Abendessen mit einer Notration Linsensuppe, einer angebrochenen Flasche Rotwein und gechlortem Leitungswasser begnügen zu müssen, macht uns schelle Beine.
Die Verkäuferin des Supermarktes räumt die Auslagen ein. Wir teilen uns auf. Gudrun stürmt in die Bäckerei. Es ist 18:57 die Verkäuferin macht einen halbherzigen Versuch mich aufzuhalten, sieht aber das ich in Schwung bin und gibt den Weg frei.
Zehn Minuten später sind wir rundum versorgt und löschen den ersten Durst mit 1,5 Liter Mineralwasser. Zwei Radler, die wir unterwegs hinter uns gelassen haben, steuern den Supermarkt an, zu spät, die Verkäuferin schließt vor ihnen ab.



Donnerstag 25.06.09 Belle Ile nach St Barbe

Was an Grillkohle noch übrig ist nehmen wir mit. Wir verlassen die Insel mit der 14:00 Uhr Fähre. An Fährtagen bleibt nicht viel Zeit zum Radfahren.
Zwischen Plauharnel und Erdeven wachsen die Monolithen wie Pilze aus dem Boden und formieren sich an manchen Stellen zu Steinkreisen.



Freitag 26.05.09 St Barbe - Lorient

Mit der neuen Radkarte, rückt eine weitere Insel in unser Blickfeld, die Ile De Groix, aber ich will mich nicht festlegen in Lorient gibt es auch einen Bahnhof.

Erst einmal führt uns der Weg die Küste entlang. Weites Dünnengrasland liegt ruhig unter einem weißblauen Himmel.
Das befürchtete Großstadtverkehrschaos in Lorient bleibt aus. Die Stadt hat genug Brücken für alle und im Straßenlabyrinth orientiere ich mich zielsicher nach Kompass. Um 17:00 Uhr legt die Fähre ab um 17:45 hält unser Zug. Noch ist das Rennen offen, erst einmal müssen wir einen Supermarkt finden, um uns mit dem Nötigsten zu versorgen

16:50 mit randvollen Gepäcktaschen steuern wir den Fährhafen an, obwohl es eigentlich schon spät ist. Aber es soll nicht heißen wir hätten es nicht versucht und für den Zug bleibt danach immer noch Zeit. Wir sind nicht die Einzigen die in letzter Minute noch versuchen das Schiff zu entern und so gönnt man uns eine Gnadenfrist, in der Gudrun am Ticketschalter Ellenbogen beweist. Um Viertel nach legt Fähre ab und wir sitzen auf dem Sonnendeck. Ich könnte glücklich sein, doch mich überkommt eine dunkle Vorahnung. Unter den Passagieren fällt mir eine Gruppe von sechs jungen Männern auf. Sie haben sie mit mehreren Sixpacks Bier bevorratet, übernachten werden sie in Quechua-"Wurfzelten" und zur Unterhaltung haben sie einen Ghettoblaster dabei.
Im Urlaub könnte ich gut auf das Wochenende verzichten. Samstag und Sonntag, wenn wir uns unter die Kurzurlauber mischen müssen, wird es dann an schönen Plätzen eng.
Doch dieses Unheil zieht in einem Großraum Taxi an uns vorüber. Wir haben nicht das gleiche Ziel. Es gibt zwei Campingplätze auf der kleinen Insel.

"Zu schön, um wahr zu sein"
Im Abendlicht wirkt unser idyllischer ruhiger Campingplatz zwischen gelben Ginster und Silberpappeln, mit Blick aufs Meer wie ein impressionistisches Gemälde. Aber ich kann es nicht glauben. Es ist zu schön, um wahr zu sein. Ich weiß, dass die letzte Fähre um 20:00 Uhr anlegt.
Es ist das gleiche Großraumtaxi, das vor Stunden mit den sechs jungen Männern in eine andere Richtung abbog, das nun nur wenige Meter von uns entfernt vorfährt. Zu unserer Beruhigung steigt nur ein einziger Gast aus. Der ist aber eine Viertelstunde damit beschäftigt, das Gepäck auszuräumen. Taschen, Zelte auch eine Gitarre und Conga-Trommeln sind darunter.
"Ob wir ein Problem damit hätten, das er und seine zwanzig Freunde, die noch zu Fuß unterwegs sein, ihre Zelte übers Wochenende neben unserem aufstellen würden?"
Das Rätsel ist gelöst und unsere Ruhe dahin. Die Vorhut gibt sich rücksichtsvoll.
"Wenn wir wollten, könnten wir auch auf ein Bier vorbeikommen."
Du musst kein Prophet sein, um dir das Sommerfetenspektakel vorzustellen. Die Vorzeichen stehen auf schlaflose Nacht und wir müssen uns entscheiden:
Angriff, Duldung oder Flucht
Der Gedanke die Horde mit Stimme und Gestalt im Zaum halten zu können, ist absurd, genau so absurd, wie die Annahme, dass die Partygemeinde sich an die Nachtruhe halten würde. So schaue ich mich um und entdecke auf dem Campingplatz, den hintersten Winkel, um die Ecke und weit weg, aber auch von der schönen Aussicht aufs Meer. Gudrun ist nicht glücklich über unseren Umzug. Sie hat den festeren Schlaf. Aber das rücksichtslose Gegröle das in dieser und der folgenden Nacht von den betrunkenen Zechern noch angestimmt werde sollte, geben mir recht.

Samstag 27.06.09 Ile de Groix

"Das ist hier ja fast wie im Urlaub."
Seit der Belle Ile ist der Satz zu einem geflügelten Ausspruch geworden. Urlaub als überhöhtes Ideal. Ein paradiesischer Zustand, losgelöst vom Alltag und meist nur in guten Büchern oder atmosphärisch dichten Filmen zu finden. Nicht Enden wollende große Ferien, Zikadenkonzerte, der Geruch von Kiefern, Sand und Meer, und du läufst den ganzen Tag barfuß.

Sonntag 28.06.09 Ile De Groix

Die Fahrräder brauchen wir nur zum Einkaufen.
Die Insel ist zu Fuß in 2 Tagen umrundet immer die Steilküste entlang. Eilige schaffen die Strecke auch an einem Tag. Die geschützte Nordseite, mit Blick auf Festland, ist bis auf ein paar Strände Grün überwuchert, mit Fahne, Brombeeren und Kiefern. Die dem offenen Meer zu gewandte Südseite ist mit einem dichten Rasenteppich ausgelegt.
Auf unserem Weg entlang der Küste beobachten wir mit Keschern bewaffnete Einheimische, die auf der Suche nach Essbaren waghalsig auf den scharfen glitschigen Felsen in Höhe der Flutlinie herumbalancieren.
Unsere letzte Urlaubswoche bricht an. Nach dem Wir uns so lange haben treiben lassen, verlang der Rückweg nach einem konkreten Zeitplan. Nach dem Blick auf die Übersichtskarte steht fest:
Im Quimperle wird unser Umkehrpunkt sein.

Montag 29.06.09 Ile De Griox - le Fort Bloque

Mittags nehmen wir die Fähre zurück nach Lorient. Ein beschilderter Fahrradweg führt aus der Stadt heraus. In Lamaor Plage verwehrt uns ein Einbahnstraßen System die Zufahrt zur Küste. Es ist Sommer, es ist heiß. Wer sich freinehmen kann, verbringt den Nachmittag an den Badestränden und davon gibt es zwischen Larmor Plage und Guidel Plage viele.
Wir teilen uns das bisschen Weg das uns bis Quiperle noch bleibt ein und steuern am nachmittags einen Campingplatz am Plage de Pen er Marlo an. Am Abend, mit aufkommender Flut, türmen sich hier die Wellen mannshoch und höher auf. Dutzende Surfer können dem Lockruf nicht widerstehen.
Ein Provinzflughafen hält Anschluss an die Welt. Bis kurz vor Mitternacht donnern große Propellermaschinen über uns hinweg. Luftfahrtfossile, die sich als Kurzstreckenpassagiermaschinen bis in die Strahltriebwerkzeit gerettet haben.

Dienstag 30.06.09 le Fort Bloque - Quimperle / Questembert.

Es ist halb neun Uhr morgens. Es ist windstill, der Himmel ist bedeckt und das Thermometer zeigt 29° C. Das Meer, die Brandung, die uns gestern Abend in den Schlaf gesungen hat, ist verstummt. Seit Tagen steht das Wetter auf der Kippe, aber das erlösende Gewitter lässt auf sich warten. Warmer Nieselregen setzt ein.
Nach der Hektik, dem Trubel an den Badenstränden und Promenaden, ist die Waldruhe im Foret Dom de Carnoet, den wir auf unserem Weg nach Quimperl durchfahren, eine Wohltat.

Im dritten Anlauf bekommen wir unseren Zug. Wir lösen ein Ticket nach Questembert.


Mittwoch 01.07.09 Questembert - Piriac sur Mer

So belebt die Küsten hier in der Süd-Bretagne sind, so menschenleer ist das Hinterland. Wir radeln auf ruhigen schmalen Straßen durch eine hüglige alte Kulturlandschaft fast unbehelligt vom Autoverkehr. Bei der nächsten Tour in diese Gegend werden wir öfter einmal ein Tag Innlands-Bretagne einschieben müssen.
Ohne Wartezeiten, Einbandstraßen und Sackgassen sind wir schneller unterwegs als erwartet eine Zwischenübernachtung bis Piriac sur Mer ist nicht nötig. Und so fahren mit zwei statt mit dem einen Tag Reserve, den du immer für Unerwartetes einplanen solltest, ins Ziel, aber die Aussicht noch ein ganzes freies Wochenende in der Heimat zu verbringen ist nach drei Wochen Zelturlaub auch nicht zu verachten.


Rolf Puschnig



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