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März/April 2009
Montag:
Wir sind zehn Stunden auf den westlichen Hügeln und in Baixa unterwegs.
Auf unserem Weg finden sich zwei Museen und ein botanischer Garten. Der Montag ist kein guter Tag für Museen,
die Meisten starten mit einem Ruhetag in die Woche. Die Wäsche,
die zum Trocknen an den maroden Fassaden aus dem Fenster hängt, ist eine verlässliche Wettervorhersage.
In Lissabon findest du unzählige erhaltenswerte Gebäude, aber nicht alle werden erhalten.
Was nicht warten kann, aber warten muss, wird in ein Korsett aus Stahlträgern und Beton gepackt.
Die Architekten vor Ort sind Meister im häuten historischer Gemäuer. Oft bleibt nur die ziegeldicke
Schicht mit der bunt gefliesten Vorderfront und den gusseisernen Balkonbrüstungen erhalten und dahinter
wird vom Fundament aufwärts neu gebaut.
Lissabons Plätze und Straßen sind gepflastert.
Wehe dem, der den ersten Stein wirft, dachten sich wohl die Revolutionäre, die gegen Salazars Regime aufbegehrten.
Selbst geübten Werfern würde in Anbetracht dieses Überangebotes an Munition bald die Arme erlahmen
und so bewaffneten sie sich stattdessen mit Nelken und waren erfolgreich.
Die historischen Straßenbahnen ähneln jugendstill Vitrinen. Sie sind begehrte
Fotoobjekte und das geduldigste öffentliche Verkehrsmittel, das ich kenne.
Ob im Stau oder vor dem Fußgängerweg, die roten und gelben Schienenfahrzeuge bleiben stehen.
Zwingt eine Weiche zum Spurwechsel, hält die Straßenbahn an und der Schaffner steigt aus.
Mit einer langen isolierten Stange hebelt er seinen Stromabnehmer auf die abzweigende Oberleitung bevor die Fahrt weiter geht.
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Dienstag:
Wir erkunden die Alfama und Umgebung und entdecken sechs Kirchen, ein Museum und ein Castell.
Die Autofahrer in den chronisch verstopften Straßen Lissabons glauben
ihren Hupen würde ein besonderer Zauber innewohnen.
Man müsse sie nur laut, oft, und lang genug erklingen lassen dann tut sich ein Tor auf,
ein Sesam öffnet zum Ziel. Ein Irrglauben! Selbst die Krankenwagen-Sirenen sind kein Garant für freie Fahrt.
Im Reiseführer wird die Doppelverglasung unseres Hotels gelobt,
da stimmen wir mit ein. Kirchen funktionieren nach einem ähnlichen Prinzip.
Kaum schließt du die zweite Tür des Portals ist himmlische Ruhe.
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In Lissabon beobachte ich Männer,
die sich mit grotesker Langsamkeit fortbewegen.
Die einen setzten bedächtig Schritt vor Schritt wie Schildkröten, als wären sie in einer anderen Zeitzone unterwegs.
Andere bewegen sich schnell, rudern dabei hektisch mit den Armen und kommen
trotz aller Anstrengungen kaum voran, als kämpfen sie gegen eine persönliche Strömung an.
In der hektischen halben Stunde vor und nach Geschäftseröffnung staut sich an den Haltestellen der
Untergrundbahn der Menschstrom an unserer unangepassten Langsamkeit. Urlaubsruhe gegen Pünktlichkeit Hetze
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Kommen wir kurz nach sieben in unser Hotel, gönnen wir uns noch ein paar Minuten Bettsonne.
Ab dem späten Nachmittag wird unser Doppelbett zu einer warmen, hellen Oase. Wir liegen bei offenem Fenster,
unbekleidet und wohlig ausgestreckt im gleißenden Licht, bis die Sonne hinter der Villa auf dem
Hügel im Parque Eduardi VII untergeht.
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Mittwoch:
Das Hotel hat seine ältesten und schwerhörigsten Kellner zum Frühstück abkommandiert.
Beim Auf und Abräumen der Frühstückstische, veranstalten sie mit dem Geschirr einen Radau,
als müssten sie sich und der Welt mit Lärm beweisen, dass sie noch leben.
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Am Mittwoch fahren wir mit dem Zug ans Meer. Auf der lagen gepflasterten Strandpromenade
an der Westküste zwischen Cascais und Estoriel trifft sich Lissabon zur Sommerfrische.
Kaum enden die Bebauungen, Hochhäuser und Paläste mit Blick aufs Meer, schmiegt sich die Landstraße so eng ans Meer,
dass wieder kein Platz für Romantik bleibt.
Der schmale Streifen bis zur steilen Felsenküste ist übersät mit achtlos Weggeworfenen.
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Drei Museen, ein Kastel und einen Leuchtturm besuchen wir auf unserem Weg. Kultur als Volksbildung. Eintritt gratis.
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Donnerstag:
Ich starte mit vier Bekleidungsschichten in den Tag.
Das Unterhemd, Tribut an den frühen Aufbruch in den kühlen Morgenstunden,
lege ich noch vor dem Mittag ab, gefolgt vom Pullover.
Im T-Shirt und Weste setzte ich meinen Weg durch den Tag fort.
Werden die Schatten nachmittags wieder länger streife ich mir über was ich mittags ausgezogen habe.
Wir erkunden Belem. Der Stadtplan ist überflüssig,
du steigst aus dem Bus und kannst fast alle Gebäude die im Reiseführer
unter "nicht verpassen" stehen mit einem Blick erfassen. Um zum Torre de Belem zu kommen, orientiere dich am Ufer.
Auch den Jardim Agricola Tropical musst du nicht lange suchen.
Dieser Park ist ein muss für jeden Liebhaber des gepflegten Verfalls.
Nur in der labyrinthischen Weitläufigkeit des Centro Cultural de
Belem können sich Ungeübte beim Staunen schon einmal Blasen laufen.
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Freitag:
An diesem Tag gönnen wir uns zwei Museen, die montags geschlossen waren.
Im viel gelobten Gulbenkain Museum werden mir zu viele Antiquitäten ausgestellt.
Das Centro de Arte Moderna, ein Haus weiter ist mehr nach meinem Geschmack.
Wir streifen durch den Park Estreala und betreten das ein oder andere offene Kirchenportal.
Für die Rundfahrt mit der historischen Straßenbahn quer durch die Stadt kommen wir einen Tag zu spät.
Unser Ausflug endet nach wenigen Haltestellen. Man bitte uns in einen Bus umzusteigen. Als wäre das Ziel, das Ziel.
Auf unserem weiteren Fußweg durch die Baixa entdecken wir die Baustelle mit den Gleisarbeiten.
Die hat es gestern noch nicht gegeben.
Auch den Flohmarkt, unsere Hauptattraktion des Tages suchen wir vergebens.
Wir vermuten, dass die Stände sonst in einem Park zu finden sind, der jetzt von Grund auf renoviert wird.
Nachmittags kehren wir im Buraco Snack ein.
Seit Montag ist der Imbiss unser Stammlokal.
Die Doraden, die uns serviert wurden, waren schmackhaft
und preiswert und so setzten wir in den folgenden Tagen auf den
Wiedererkennungswert und erfahren bald eine Sonderbehandlung. "Empfehlungen und der Blick in die Küche",
nur die "Sardinas con Eingeweide" fand ich gewöhnungsbedürftig.
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Es ist Freitag, es ist Wochenende Zeit für einen Abstecher ins Nachtleben.
In der Oberstadt im Bairo Alto brodelt es. Das Viertel ist wie auf links gedreht.
Wo kommen die vielen Kneipen her, die wir Tags über nicht gesehen haben. Techno Beats,
Rock und Pop und sogar Irish Folk schallt uns aus den Lokalitäten entgegen.
Nur nach Fado lauschen wir vergebens, den soll es noch unten in der Alfama geben.
Wir ziehen durch die Kneipen und fühlen uns in der Einfachsten am wohlsten.Das Lokal ist
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nichts für Nörgler. Es hat seine Tücken, schmutziges WC mit Türen, die du nicht abschließen kannst.
Wein und Bier gibt es für einen Euro aus Pappbechern. Das der Wein außerhalb meines
Blickfeldes unter der Theke gezapft wird ist mir suspekt und so steige ich auf Bier um.
Die Lebendigkeit zeichnet das Lokal aus. Zwei Musiker versetzen das Publikum in Bewegung.
Der Gitarrist singt und der Mann an den Bongos macht den Background. Die Klänge und Rhythmen
muten karibisch an, sind aber wohl portugiesisch. Es singt mit, wem genug Luft bleibt, ansonsten wird möglichst
eng umschlungen getanzt.
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Samstag:
Den Samstag haben wir uns für ein Sonnenbad aufgespart. Wir setzen mit der Fähre
nach Almanda über und nehmen dann den Bus nach Traferia.
An der Promenade wird noch gebaut. Wo sie endet, beginnt der Sandstrand. Jetzt kannst
du deine Schuhe ausziehen und bis zum Sonnenuntergang barfuss laufen. Zwischen Strand
und Dünen findest du hier bewohnte Wellblechhütten statt leerstehender Paläste wie an der
Westküste. Um und auf der mächtigen Atlantikbrandung versammelt sich eine halb verwilderte Wellenreitergemeinde.
Wir suchen uns nach einer guten Stunde Fußmarsch eine windgeschützte Nische in den Dünen, um großflächig Sonne
zu tanken. Morgen reisen wir ab.
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Abends sind wir zu müde,
um noch in der Alfama den Fado zu suchen.
Beim nächsten Mal und ein nächstes Mal wird es geben. Lissabon ist die lange Reise Wert.
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Rolf Puschnig
Reiseberichte
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